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Yuliia Dysa ist eine ukrainische Journalistin, die lange aus Moskau berichtet hat. Nach Ausbruch des Krieges hat die 26-Jährige umgehend Russland verlassen und ist nach Deutschland geflüchtet. Seit Anfang Mai arbeitet sie bei EXPRESS.DE zusammen mit Martin Gätke, der die Ukraine-Berichterstattung betreut.

Yuliia, du hast jahrelang als ukrainische Journalistin in Moskau gearbeitet. Wie hast du vor Ort den Ausbruch des Kriegs erlebt und wie bist du nach Köln gekommen?

Der Krieg erwischte mich genau zwischen vier und fünf Uhr morgens im Bett, als mein Kollege aus der Nachrichtenabteilung, die ich zu diesem Zeitpunkt betreute, mit den Worten "Putin hält seine Rede" anrief. Genau zu diesem Zeitpunkt wurden die ukrainischen Städte bereits bombardiert und beschossen.

Ich hatte keine andere Wahl, als Moskau zu verlassen. Ich konnte nicht dort bleiben ohne zu wissen, was in meinem Heimatland passiert. Ich wusste, dass ich am 24. Februar abreisen würde, ich überlegte nur, wohin ich gehen sollte. Am ersten Tag des Krieges waren meine Mutter und meine kleine Schwester zu Hause in der Region Odessa. Zum Glück habe ich sie sofort erreicht und sie gebeten, zu gehen. Sie sind nach Duisburg geflüchtet, wo Freunde von uns leben und uch habe beschlossen, mich ihnen hier in Deutschland anzuschließen, um ihnen beizustehen und sie bei allem zu unterstützen.

Martin, du arbeitest als Politikredakteur für EXPRESS.DE und in dieser Funktion eng mit Yuliia zusammen. Wie erlebst du die Zusammenarbeit?

Zunächst einmal ist es wahnsinnig hilfreich für unsere Berichterstattung, dass Yuliia sowohl die Entwicklungen in der Ukraine als auch in Russland für uns beobachten und kommentieren kann. Sie ist eine sehr talentierte und professionelle Journalistin – aber sie ist eben auch ein toller Mensch. Mit ihr lässt sich auch unfassbar lange und gut diskutieren, über die Zukunft Russlands zum Beispiel, über die Zeit nach Putin, über die Hoffnung der Ukraine. Gespräche, die mich sehr berühren und den eigenen Blick noch einmal schärfen. Aber Yuliia hat auch einfach einen guten Sinn für Humor – und damit passt sie perfekt in unser Team. Wir lachen einfach sehr gern mit ihr – trotz der Situation.

Yuliia, gab es schon besondere Geschichten, die du mit Martin gemeinsam umgesetzt habt?

Für mich persönlich sind die besten Geschichten nicht die, in denen wir einfach nur über irgendwelche Kriegsentwicklungen berichten, sondern die, die von den Menschen selbst erzählt werden. Wir haben einige Interviews mit Menschenrechtsorganisationen in der Ukraine geführt und so viele drastische Fakten über die Verbrechen russischer Soldaten und über Schicksale von Ukrainern erfahren.

Martin ist eine große Hilfe, das muss ich zugeben. Nicht nur mit der Übersetzung selbst, sondern auch mit seinem Blick auf die Geschichten, die wir schreiben.

Wie profitiert denn die Ukraine-Berichterstattung auf EXPRESS.DE von dieser Kooperation, Martin?

Yuliia hat sehr viel mehr „Menschlichkeit“ in unsere Berichterstattung gebracht. Natürlich ist der Krieg auch für uns Journalistinnen und Journalisten extrem erschütternd. Trotzdem versuchen wir seit der russischen Invasion, jedes Gerücht, jedes Video und jeden Post auf Twitter oder Facebook möglichst nüchtern gegenzuchecken – auch mit Hilfe der Kolleginnen und Kollegen im Team des dpa-Faktenchecks. Dann geht es eben um Frontverläufe, militärisches Gerät, Truppenbewegungen, Zahlen und Statistiken. Als Yuliia zu uns kam, haben diese Daten gewissermaßen ein Gesicht bekommen. Sie ist sehr gut vernetzt mit Journalistinnen und Journalisten aus Russland und der Ukraine, hat gute Kontakte zu Menschenrechtsorganisationen, zu Aktivistinnen und Aktivisten, die irgendwie versuchen, in diesem Chaos Menschen zu finden, ihnen zu helfen, sie zu retten. Und die russischen Gräueltaten zu dokumentieren. Das, was diese Menschen aus erster Hand berichten, ist oft unfassbar, unaussprechlich. Doch Yuliia schafft es, Worte dafür zu finden. Und diese Menschen bei uns zu Wort kommen zu lassen. Für EXPRESS.DE ist diese neue Perspektive natürlich sehr wertvoll. Und wir sind ihr sehr dankbar dafür.

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